„Heilung benötigt!“, ruft einer meiner Mitspielenden ins Headset, während ich hektisch durch die Zaubersprüche scrolle. Der Bildschirm leuchtet in grellen Farben, während unsere Held:innen Seite an Seite Wellen von kleinen Monstern abwehren. Der Kampf tobt, und das Geschrei meiner Teamkolleg:innen hallt in meinen Ohren wider. Jeder Zauber, jeder Angriff zählt – wir sind kurz davor, den finalen Boss zu besiegen. Mein Herz rast, die Hände sind schweißnass, und ich bin voll und ganz in diese fantastische Welt eingetaucht.
Ich sporne meine Gruppe ein letztes Mal an - „nur noch ein paar Treffer!“. Unser Team koordiniert sich perfekt, jeder kennt seine Rolle. In diesem Moment sind wir nicht nur Spieler:innen, sondern tapfere Held:innen, die gemeinsam für das Wohl des Königreichs kämpfen. Wir arbeiten zusammen, um das Unmögliche zu erreichen, und als der Boss endlich fällt, bricht ein kollektiver Jubel aus.
Das sind Gaming-Momente, die täglich tausende Spielende erleben und an die man sich noch jahrelang zurückerinnert. Doch was macht diese Erfahrung so fesselnd? Warum sind wir bereit, Stunden unseres Lebens in virtuelle Welten zu investieren? Die Antwort liegt in den psychologischen Mechanismen, die Spiele so unwiderstehlich machen und weshalb sie uns immer wieder in ihren Bann ziehen.
Jetzt stellen Sie sich vor, wir könnten diese Elemente auch außerhalb der Spielwelt nutzen. Könnten so mehr Motivation und Bindung im Alltag, bei der Arbeit oder auch im Umgang mit Marken erzeugen. Ta-Da… willkommen in der Welt der Gamification. Bevor wir tiefer in dieses faszinierende Konzept eintauchen, werfen wir einen Blick auf die Gaming-Industrie und warum sie für Unternehmen von so großer Bedeutung ist.
Gaming ist einer der stärksten, globalen Unterhaltungsmärkte
Der Gaming-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem Nischenhobby zu einem gigantischen Wirtschaftszweig entwickelt. Im Jahr 2023 haben weltweit über 3,3 Milliarden Menschen digitale Spiele genutzt und dafür fast USD 190 Milliarden ausgegeben. In Deutschland und Österreich gehen wir davon aus, dass rund 60% der Gesamtbevölkerung diese Leidenschaft teilt. Somit ist Gaming dem damit oft verbundenem Kinderzimmer längst entwachsen.
Warum sollten sich Marken überhaupt für Games interessieren?
Hier finden sich zentrale Argumente. Einerseits gibt es noch zahlreiche Möglichkeiten Produkte und Dienstleistungen, um diese „Stilgruppe“ herum aufzubauen. Andererseits sind Gamer:innen über klassische Kanäle schwer erreichbar, weshalb immer mehr Präsenzen direkt in den diversen Spielwelten realisiert und integriert werden.
Aber Gaming ist eben nicht nur ein riesiger Wirtschaftszweig, sondern auch ein Spiegelbild moderner Kundenbedürfnisse. Menschen lieben Herausforderungen, Belohnungen und das Gefühl von Fortschritt. Und genau diese Elemente können Unternehmen fernab vom Spielen nutzen, um ihre Mitarbeiter:innen zu motivieren und ihre Kund:innen zu binden. Nun sind wir bei der Gamification angekommen. Dabei werden spieltypische Elemente und Mechaniken in einen spielfremden Kontext integriert, um das Engagement, die Motivation und die Bindung von Menschen zu steigern.
Zu den gängigsten Elementen gehören:
- Klare Aufgaben,
- zu erreichende Punkte,
- Levels,
- Forschrittsbalken,
- Belohnungen und Auszeichnungen,
- Teams sowie Ranglisten und
- die Elemente werden zusätzlich gerne mit einer Prise Storytelling vermischt.
Dieses Rezept schafft Anreize, die dafür sorgen, dass sich Menschen mehr anstrengen und länger bei der Sache bleiben.
Das Octalysis-Framework von Yu-Kai Chou
Ein besonders interessantes und detailliertes Modell zur Gamification ist das Octalysis-Framework von Yu-Kai Chou. Es basiert auf der Idee, dass alle Spiele und spielerischen Erfahrungen durch acht zentrale Core Driver angetrieben werden. Diese Kernantriebe beeinflussen das Verhalten und die Motivation der Menschen. Das Modell hilft dabei, diese Kräfte zu identifizieren und zu verstehen, wie sie in verschiedenen Kontexten eingesetzt werden können.
Jede der Seiten des Achtecks steht für einen Kernantrieb menschlicher Motivation. Im oberen Bereich der Darstellung finden sich „White Hat“ Core Driver, die mit positiven Gefühlen verknüpft sind. Unten befinden sich „Black Hat“ Antriebskräfte, die mit negativen Gefühlen und Vermeidungsstrategien einher gehen. Auf der linken Seiten werden eher extrinsische Motivatoren dargestellt, die von außen nach innen wirken und auf der rechten Seite finden sich die intrinsischen Kräfte, die von einem selbst in die Außenwelt abstrahlen. Im Idealfalls sollten zumindest zwei Core Driver klar herausgearbeitet und erkennbar sein, um nachhaltig auf die Motivation der Rezipienten einzuwirken.
Um die Core Driver noch greifbarer zu machen, haben wir in der folgenden Tabelle konkreter Beispiele aus dem Spiel, dem Privatleben und der Berufswelt zusammen gefasst:
Zusammenfassend können wir feststellen, dass das Verständnis der acht Kernantriebe des Octalysis-Modells einen mächtigen Werkzeug-Koffer bietet, um Gamification erfolgreich im Unternehmen zu implementieren.
- Beginnen Sie damit, die Bedürfnisse und Motivationen Ihrer Mitarbeiter:innen und Kund:innen zu analysieren.
- Identifizieren Sie Kräfte, die in Ihrer spezifischen Situation am relevantesten sind.
Daraus lassen sich konkrete Strategien und Elemente ableiten, die diese Antriebe ansprechen. Ein ausgewogenes System vermeidet Monotonie und hält das Interesse hoch. Dabei sollte Gamification immer auf die spezifischen Bedürfnisse und Kontexte der Ziel- bzw. Stilgruppen zugeschnitten sein, um maximale Wirkung zu erzielen.
Worauf warten Sie?
Lasset die Spiele beginnen! Und sollten Sie noch auf die richtigen Mitspieler:innen warten – gerne können wir dieses breite und tiefe Abenteuer gemeinsam bestreiten. LetseGO!
Über die:den Autor:in
Nikolaus beschäftigt sich seit über 15 Jahren beruflich intensiv mit den Themen Gaming & E-Sport und berät Unternehmen, die dieses immense Potenzial erkannt haben und in dem Trendmarkt Fuß fassen wollen.
Nikolaus Staudacher Experte & Gamifizierer T. +43 650 410 19 79 E. nik@breitetiefe.com