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Das Logo rettet die Marke nicht

Das Logo rettet die Marke nicht

Wandel in der Markenstrategie: Design ist Teil des Narrativs

Früher war das Logo oft der Mittelpunkt jeder Markenstrategie. Das CI-Manual holte dann nur noch Farben, Schriften und Icons dazu. Deckel drauf, fertig. Doch in den letzten Jahren haben sich gerade in der avantgardistischen Designszene neue Strategien und Ansätze gezeigt, die langsam in den Mainstream trickern. Statt sich nur auf das Logo zu konzentrieren, ist es heute entscheidend, eine ganzheitlichere Branding-Strategie zu verfolgen. Den Blick weg vom Logo auf die Orte, an denen die Erlebnisse der Marke passieren. Dies bedeutet, dass wir uns nicht nur auf das visuelle Erscheinungsbild, sondern auch auf den emotionalen Wert, die Markenbotschaft, die Werte und die gesamte Markenerfahrung konzentrieren müssen. Ein Logo allein kann die Identität einer Marke nicht vollständig erfassen oder kommunizieren.


Auch das Marketing selbst befindet sich in einer Transformation. Die Zeiten einer linearen Kundenreise werden immer weniger: Begriffe wie „USP“ und das „AIDA-Prinzip“ (Aufmerksamkeit, Interesse, Verlangen, Aktion) greifen nicht mehr so gut wie früher. Heutzutage ist die Reise von Kund:innen weniger linear, insbesondere von jüngeren und kommenden Generationen sowie von anderen, neuen Zielgruppen aus vielschichtigen Milieus. Kund:innen springen zwischen verschiedenen Touchpoints und Kanälen hin und her, bevor sie sich vollends identifizieren und eine Kaufentscheidung treffen. Konsistenz in Touchpoints und eine gut geplante Experience über alle Kanäle sind somit ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg einer Marke geworden.

Die Umsetzung der Markenstrategie in Designregeln: Das Raster

Ein entscheidender Schritt im Branding-Prozess ist die Entwicklung einer Markenstrategie, die oft in Workshops gemeinsam mit Kund:innen erarbeitet wird, um neue Perspektiven und authentische Werte der Marke zu entdecken. Aus dieser Strategie heraus entstehen neue Ideen und Perspektiven, die dann abstrahiert und als übergreifende Designregeln umgesetzt werden können. Zum Beispiel kann eine Wertvorstellung der Marke, wie das Streben nach Andersartigkeit, dazu führen, dass die Ausrichtung einer Schrift geändert wird. Oder im Corporate Design können bestimmte Proportionen für Anzeigen, Plakate und das Webinterface und sogar den Aufbau eines Stores festgelegt werden, die sich wiederholen und somit die Wiedererkennbarkeit und Konsistenz der Marke stärken. Durch die Einbindung dieser Designregeln wird nicht nur das Logo adaptiert, sondern die gesamte

Mediengestaltung erhält mehr Aufmerksamkeit und trägt dazu bei, die Identität der Marke deutlicher zu präsentieren. In Ansätzen, wo sich nur auf das Logo fokussiert wird, werden die Regeln für die CI meist ein wenig vernachlässigt und die Balance zwischen den Elementen wird als weniger wertvoll empfunden.

Disruptive Strategien und normative Zugänge im Branding und Corporate Design

Traditionelle Zugänge im Branding und Corporate Design verfolgen meist die sichere Route, bei der alles sofort erkennbar und verständlich sein muss. In Designzugängen, die etwas moderner sind, können einige Aussagen, sei es visuell oder inhaltlich, bewusst offen gelassen werden und Dinge andeuten, statt eine gesamte Aussage zu treffen. Auf diese Weise erhalten Zielgruppen die Möglichkeit, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen und in einen tieferen Dialog mit der Marke zu treten. Disruptive Strategien können dabei metaphorisch wie ein kleines Schlagloch in der Straße wirken. Während normative Gestaltungen dazu neigen, die Aufmerksamkeit der Zielgruppen gleichmäßig über die gesamte Gestaltung zu verteilen, sorgt ein disruptiver Ansatz dafür, dass der/die Betrachter:in plötzlich hellwach wird und sich fragt: "Was war das denn?". Es wird mit der Erwartungshaltung der Betrachter:innen gebrochen und eine neue Erfahrung geboten, bei der das Gehirn selber einen Teil der Aussage erarbeiten muss.

Ein Beispiel für eine disruptive Strategie im Branding ist das Design der Getränkemarke "Jus(t)". Hier wurde im Logodesign bewusst auf eine zurückhaltende Gestaltung gesetzt. Das eigentliche Corporate Design erzählt die Geschichte über den „wiederkehrenden Zyklus“, der kreisförmig um die Flasche auf dem Label dargestellt wird. Dabei wird nicht nur die Herstellung des Getränks illustriert, sondern auch eine Geschichte über die Hauptzutat des Getränks, Verjus, die bereits in der Antike von unterschiedlichen Kulturen verwendet wurde, vermittelt. Diese Geschichte wird durch geometrische Formen aus der Fibonacci-Konstante erzählt. Beim Betrachten des Designs werden die Menschen auf eine poetische Entdeckungsreise mitgenommen, um die Geschichte hinter der Fibonacci-Konstante zu erforschen. Es wird deutlich, dass auf der Welt Dinge auf mystische Weise zusammenfinden können. Die Begeisterung der Käufer:innen war nach dem Launch des Getränks so hoch, dass wir sogar einige Male gefragt wurden, ob wir Teile des Designs als Tattoo-Vorlage freigeben würden.


Was am Ende wirklich zählt ist die Brand Experience

Ein wesentlicher Bestandteil des Brandings ist die Erfahrung, die eine Marke bietet. Stellen Sie sich vor, Ihre Marke ist wie ein Theaterstück auf einer Bühne, und das oben genannte Raster, also die Hauptdesignregel, ist die Bühne selbst. Wie bei einem Theaterstück besteht eine erfolgreiche Marke aus verschiedenen Elementen, die harmonisch zusammenarbeiten, um eine einprägsame Erfahrung zu schaffen.

Um diese Analogie weiter zu vertiefen, betrachten wir dieses Theaterstück genauer: Die Handlung repräsentiert die Markenbotschaft und die Werte, die die Marke vermitteln möchte. Jedes Element des Theaterstücks – die Dialoge, die Kostüme, das Bühnenbild – trägt dazu bei, die Handlung zu unterstützen und das Publikum zu fesseln. Genauso sollten die verschiedenen Elemente einer Marke – das Logo, die Farbpalette, die Typografie, die Bildsprache – zusammenarbeiten, um eine konsistente und überzeugende Markenerfahrung

zu schaffen. Ähnlich wie bei einer Bühne kann das Raster auch durch Video, Sound, Material und andere Effekte ergänzt werden, um die Markenerfahrung zu verbessern und zu vertiefen.

Praktikabilität im Logodesign

Zu guter Letzt möchte ich auf die praktische Seite des Logodesigns eingehen. Oft sehen wir Kund:innen, die ein übermäßig komplexes Logo wünschen, das jede Facette ihrer Marke abdeckt. Doch solche Logos können in der Praxis schwer umzusetzen sein und die Markenkommunikation sogar verwässern. Stattdessen ist es ratsam, ein einfacheres und vielseitigeres Logo zu wählen, das leicht reproduzierbar ist und über alle Touchpoints hinweg effektiv eingesetzt werden kann. In neuartigen Strategien wird das Logo tatsächlich oft erst am Ende des Gestaltungsprozesses definiert, damit es sich systematisch gut in das ganzheitliche Konzept einordnet.

Fazit

Der Blick auf das Logo alleine macht die Marke nicht automatisch erfolgreich. Um Ziele zu verfolgen, benötigen Sie eine ganzheitlichere und strategischere Herangehensweise an das Branding. Indem Sie sich auf die Schaffung einer konsistenten Markenerfahrung über alle Touchpoints hinweg konzentrieren und auch die Arbeitgebermarke nicht vernachlässigen, können Sie langfristige Bindungen zu Ihren Zielgruppen aufbauen und eine starke und einprägsame Markenidentität schaffen.

Flo Kowatz KR8 Bureau

Über die:den Autor:in

Florian ist seit 25 Jahren Stratege und Designer für ganzheitliche Brand Identity und Corporate Design. In dieser Zeit war er bei namhaften Agenturen für Werbung, Motion Design und Branding beschäftigt, bis er 2016 sein eigenes Studio „KR8 bureau“ gründete, das mittlerweile mehrere internationale Auszeichnungen erhalten hat.

Florian Kowatz Creative Direction T. +43 699 170 624 75 E. fk@kr8bureau.at
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KR8 - bureau für brand identity, strategie + design